Alte Rose
09/04/25 20:00

Der Widerspruch macht sich sofort bemerkbar. Das Bild ist alt, verblichen, in weiten Teilen überbelichtet, dazu verstaubt und verkratzt. Ein Relikt. Aber die Schrifttypen, die das eigentliche Sujet sind, wirken in einigen Fällen erstaunlich modern. Aus der Zeit gefallen, und zwar nach vorne. Das Hotel Alte Rose könnte auch heute noch so beworben werden. Zum Stadttheaterbesuch fordert ein Schriftzug auf, den man eher in den Sechziger- und Siebzigerjahren sehen würde. Die konturierte Type bei den Marmeladen und Obstkonftüren sieht man wieder häufiger bei Barber-Shops, Bars und Ladengeschäften – vielleicht als Retro-Zitat, aber im Jahr 2025 stört sich niemand daran.
Das Bild stammt von 1931. Es hatte nur den seinerzeit aktuellen Stand der Reklame in Magdeburg zum Thema, trifft mich aber aus ganz anderen Gründen.
Wird man eines Tages genauso auf die Berliner Republik zurückschauen wie auf die Weimarer? Wird man sie als Vorlauf für eine weitere deutsche Tragödie sehen; ein Vorlauf, der nur länger dauerte? Als Versuch, der an sich selbst scheitern musste? Die Bundesrepublik meiner Jugend nahm eine ganz bestimmte, onkelhafte Haltung gegenüber der Weimarer Republik ein: Na, die waren halt noch nicht so weit. Wohingegen wir: Wenn schon nicht Krone der Schöpfung, dann doch gewiss ein guter Schritt in die richtige Richtung. Das war damals töricht. Die Blindheit von heute ist viel schlimmer.
Bildquelle: Stadtarchiv Magdeburg, abgedruckt in: "maramm Magdeburg, Reklame- und Ausstellungsstadt der Moderne", Bibliothek Forum Gestaltung 15, Magdeburg, 2016