Juten Tach

sambesi1

Es ist schon ein Abenteuer, sich zum Anleger durchzukämpfen. Magdeburg-Buckau hat einen Ruf zu verteidigen, und das tut es. Ein Dschungel, in dem dein Verstand und deine Machete rasiermesserscharf sein müssen. So ist das mit den Städten ganz am Rande der Zivilisation – sie werden stärker von der Wildnis geprägt als sie wahrhaben wollen. Wenn du dich bis in die erste Reihe durchmogeln kannst, hast du Chancen, mitgenommen zu werden. Keine guten, aber immerhin. Du bist umgeben von fragwürdigen Gestalten, Vorsicht ist geboten. Das Glück lacht dir – kaum ist die verrostete Rampe mit lautem Knall auf dem bröckeligen Beton des Anlegers aufgeschlagen, wirst du durchgewunken. Sofort ist wieder Schluss mit dem Boarding, und es entwickelt sich kurz eine Schlägerei, aber das betrifft dich schon nicht mehr. Das winzige Boot, mit dem du übersetzen willst, hat bessere Tage gesehen; man könnte meinen, es erinnert sich nicht einmal an diese Zeiten. Der Geruch nach Diesel und Männerschweiß. War das eine gute Idee? Zu spät, das Gefährt legt ab. Und dann befährst du ihn, den Sambesi Sachsen-Anhalts. Angeblich ist er hier gar nicht so breit, aber das täuscht, wie du weißt. Die jovialen und handfesten Matrosen gehen auf in ihrer Routine, sie kennen das Gewässer, sie kennen ihre Kunden. Einer von ihnen sagt "Juten Tach" und kontrolliert die Fahrkarten. Alle können sich legitimieren, keiner geht über Bord. Das Gestampfe und Gestrampel der altersschwachen Schiffsmaschine weicht einem ruhigeren Rhythmus. Flussdelphine begleiten die Fähre, sie werden mit Fischabfällen gefüttert. Kanus mit Eingeborenen treiben vorbei; die Matrosen haben euch eingeschärft, den Blickkontakt zu meiden. Einst war dieser mächtige Fluss breit wie ein Meer, aber der Regen kommt nicht mehr, schon lange nicht. Dennoch, Stunde um Stunde dauert die Fahrt. Eingelullt von Dieseldunst, Maschinengetucker und dem Schaukeln des Schiffchens dämmerst du weg, und als du aufschreckst, ist es bereits in Griffweite: das wildnisseitige Sambesi-Ufer. Die Fähre rumpelt und knarzt an dem wackeligen Anleger entlang, dass dir noch einmal auf dem Boot bange wird. Die Rampe knallt runter, du verabschiedest und bedankst dich, mitten in das schief-mitleidige Lächeln der Matrosen hinein. Ein letzter Gruß der Zivilisation: Auf dem verfallenen, lang schon nicht mehr benutzten Fahrkartenbüdchen steht noch gut lesbar "Überfahrt", in einer Schrifttype, die vor hundert Jahren modern war. Dann verschluckt dich das undurchdringliche Grün.

sambesi2
sambesi3