Teehaus

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Mit dem Stoppelfeld-Express nach Blankenburg/Harz. Rotmilane tanzen über Äckern, die von Landmaschinen aufgewühlt werden.

Der Blankenburger Bahnhof begrüßt mich mit Nebengebäuden, die etwa so verfallen sind wie die in Quedlinburg. Das obligatorische Penis-Graffito ist von rustikaler Einfachheit. In dem noch genutzten Hauptgebäude befindet sich angeblich ein Bistro, aber das ist geschlossen.

Auf einer stetig ansteigenden Rampe geht es in die Stadt hinein, und zum Glück liegt an dieser Rampe eine Bäckerei, denn ich brauche Proviant. Ich steige auf, vorbei an dem Mahnmal für 40 Opfer des faschistischen Terrors (17 Tschechoslowaken und 23 Franzosen), sowie an der Südgrenze des skandinavischen Inlandeises im Quartär.

In den Barockgärten gibt es Schattenbänke, und das ist gut, denn dort kann ich meinen Proviant verzehren. Gestärkt stehe ich vor dem hiesigen Maximilian-Julius-Leopold-Denkmal. Maximilian Julius Leopold von Braunschweig-Wolfenbüttel starb am 27.4.1785 in Frankfurt /Oder. Angeblich, weil er während einer Flut Menschen vor dem Ertrinken retten wollte. Das ist eine seinerzeit gezielt lancierte Legende, aber der Prinz scheint trotzdem ein ungewöhnlicher Mann gewesen zu sein. Er ist jetzt schon seit 240 Jahren tot, und man erinnert immer noch aus den falschen Gründen an ihn. Eine der Frauenfiguren an dem Denkmal sieht zum Fürchten aus; anscheinend sind Reinigungs- oder Restaurierungsversuche in ihrem Gesicht fehlgeschlagen.

Weiter hinauf durch die Gartenanlagen. Mit einem gewissen Verdruss stelle ich wiederum fest, dass mir die Ästhetik des Klassizismus gefällt; dass ich etwas mit ihr anfangen kann. Ich muss an den Schlossgarten von Eutin denken, bei dem mir diese Verschiebung meines Geschmacks zum ersten Mal auffiel. Ganz sicher ein Alterungsphänomen. Das entzückende kleine Teehaus, das an genau der richtigen Stelle im Hang sitzt, sollte geöffnet sein, ist es aber nicht. Noch mehr Verdruss.

Aus Rache denke ich beim weiteren Aufstieg zum Großen Blankenburger Schloss: Wenn die Fürsten vor Gott knieten, knieten sie auf den Hälsen der Bauern. Gleich danach komme ich an einer Aussicht vorbei, die auch Hans Christian Andersen schon gut fand, als er am 27.5.1831 hier vorbeikam. Der Schlosshof ist bis 16.00 Uhr geöffnet, und als ich vor dem Tor stehend auf die Uhr schaue, ist es 16.39 Uhr.

Beim Abstieg sehe ich andere Seiten der hübschen Stadt. Die historischen Straßen sind feingemacht, aber sie sind auch bedenklich leer, melancholisch still. Heute hat Blankenburg etwa 19000 Einwohner. 2010 waren es noch 22000.

Auf dem Rückweg aus dem Zugfenster schauend fällt mir auf, dass viele der abgeernteten Felder von Jäger-Hochsitzen bewacht werden. Als Reh müsstest du wissen, dass im Herbst dort der Tod sitzen kann. Aber was weißt du schon, du bist ja nur Wild.

Es war ein schöner Ausflug in den Spätsommer.

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