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Einblick bekommen, wenn man danach fragt. Zum Beispiel in den Briefwechsel zwischen Brigitte Reimann und Heinz Kruschel, der im Literaturhaus Magdeburg liegt. Heinz Kruschel hat die Postkartenbriefe von Brigitte Reimann fein säuberlich abgetippt, so kann man sie auf dem vergilbenden Papier leichter lesen. Aber gegen Ende hin, ab 1969/70, kann man sie immer schwerer lesen. Krankheit und Schmerzen drängen in den Vordergrund, und die Sorgen darum, ob Franziska Linkerhand noch fertig wird. Der kurze, mühselig ironisierte Bericht darüber, dass ihr Mann sie wegen ihrer Erkrankung verlassen hat. Sie versucht, Mut und Humor nicht zu verlieren, sie fragt Heinz Kruschel nach seinen Projekten, aber von Brief zu Brief werden die Schatten dunkler, dichter.

Seltsam hören sich manche rückblickende Interviews vom Ende der Neunziger Jahre an. Die Männer werden gefragt, ob sie nicht auch eine Liebesbeziehung zu Brigitte Reimann hatten (und reagieren recht souverän auf die indiskrete Frage); das Gespräch mit Christa Wolf bleibt näher an der Literatur, aber auch sie erzählt von den Affären ihrer Freundin in Moskau.

Das tragische Scheitern der schönen und klugen Frau, was für ein nützliches Klischee. Die "Lebenshungrige" hat halt zu viel gewollt. Dass sie das Mädchenwunder der DDR-Literatur war, soll auch heute noch ihren posthumen Marktwert stärken, und ihr Schicksal ist eine kommode Warnung vor Flausen im Kopf. Umso bitterer ihre eigene Einschätzung am Lebensende:

Heute erinnern sich noch ein paar Leser, daß es mal eine B. R. gegeben hat; heute habe ich noch ein paar Freunde, auf die ich stolz bin, weil sie nicht nur zu den besten Schriftstellern unseres Landes zählen, sondern auch gütige Menschen sind (das geht nicht immer zusammen, wie ich früher dachte); heute schreibe ich unter Qualen an meinem ersten guten Roman, der wahrscheinlich auch mein letzter sein wird; (…) sitze in einer Wohnung, die mit Tausenden von Büchern vollgestopft ist, mit kostbaren alten Möbeln und Uhren, sehe mich um und begreife allmählich, wie nichtig der Besitz ist, der uns einst besessen hat (…); heute gehe ich durch die Straßen, wo mir die jungen Männer nachpfeifen, wo die Leute spazieren, die so unverschämt, so beneidenswert gesund sind, trage einen Mädchenkörper mit mir herum und spüre bei jedem Schritt, wie dieser Körper von innen her zerfällt, wie der Tod geräuschlos und unaufhaltsam in den Wirbeln frißt, und während ich grüße und lächele, möchte ich brüllen vor Verzweiflung, diesen gesunden Menschen zuschreien, wie ungerecht es ist, wie entsetzlich ungerecht.