Halbsee
09/10/25 18:46

Am Biederitzer See.
Der jetzt gar nicht so richtig ein See ist, sondern eher ein Teil der Ehle.
Hagebutten, Ufergestrüpp, Pferdeäpfel. Die Büsche sind noch blickdicht, aber hier und da gibt es eine Lücke, und man kann die Vehikel der Dauercamper da drüben sehen. Oder einen Fasan, der hektisch über die Binsen quietscht. Es geht sich gut, der Wettervorhersage zum Trotz. Disteln, graufette Wolken, kleine Pfützen, abgeerntete Felder, auf denen die Reiher stehen wie Statuen.
Letztes Jahr war ich um diese Zeit an der Schlei, die ein Wunder ist. Im März war ich im südlichen Dänemark. Im August am schwedischen See. Jetzt bin ich hier. Noch. Manchmal sind meine Gefühle gar nicht so kompliziert. Ich bin traurig darüber, dass alles vorbeigeht.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof ein seltenes Fundstück: Biederitz (8000 Einwohner), hat noch eine eigene Buchhandlung. Ich trete ein, schaue mich um. Der Buchhändler erzählt: Es kommen zwei Handvoll Stammkunden, er bewegt Antiquarisches übers Internet, und man kann Schulbücher bei ihm beziehen. Wie jedes andere bestellbare Buch auch. Ich kaufe eins, das schon im Laden steht.
Als ich am Kindergarten vorbeikomme, wird gerade ein Junge abgeholt. Aufgeregt berichtet er davon, dass eine Geschichte vorgelesen wurde. Eine Geschichte! "Und weißt du", ruft er aus, "wer den Hasen fangen wollte?" "Nein", lügt die Großmutter. "Der Fuchs!" Und dann bin ich eine Straßenecke weiter.
Weil ein Zug im Bahnhof Biederitz mal einfach so liegen geblieben ist, braucht die DRB (Deutsche Ruinenbahn) für die sechs Kilometer nach Magdeburg eine gute Stunde. Vielleicht hätte ich doch lieber an der Elbe entlang zurücklaufen sollen.
