Leere Augen
19/08/25 12:13

Symbolbild: Nicht mehr betriebenes, veraltetes Informationssystem im Bahnhof Neumünster
Die Bahn macht mal wieder rum. Es muss jetzt ganz dringend was auf Vordermann gebracht werden. Zack: Vollsperrung Hamburg-Berlin für neun Monate. Egal, was die Welt dazu sagt – die Bahn schafft sich ihre eigene Welt. Egal, was zum Beispiel der ehemalige Chef der Schweizer Bahnen dazu sagt (ab 9:40): Rücksicht auf Verluste – hammwanichkennwanich. Vor-der-mann! Aber wenn die Bahnstrecke zwischen den beiden größten deutschen Städten gesperrt wird, betrifft das eine Menge andere Strecken auch. Und so geht es von Lübeck aus nicht mehr über Lüneburg und Uelzen nach Magdeburg. Sondern ich werde über Bad Kleinen und Berlin in die andere schöne Stadt an der Elbe geschaukelt. Zusammen mit vielen, vielen anderen müden, verschwitzten und verärgerten Menschen. Zu der Schaukelstrecke kommen natürlich die üblichen Verspätungen und die kaputten Klos noch dazu, und so viele Leiber auf einem Haufen bekäme eine Zug-Klimaanlage auch dann nicht gekühlt, wenn sie funktionieren würde. Die Strapaze leert die Augen der Reisenden. Als ich in Magdeburg aus dem Zug krieche, bin ich heilfroh, überhaupt angekommen zu sein.
Schwerin, die Hauptstadt eines deutschen Bundeslands, wird während der Streckensperrung komplett vom Fernverkehr abgehängt sein.
Die beste deutsche Mobilitätsidee seit Jahrzehnten ist das Deutschlandticket. Es steht seit seinem Bestehen in Frage.
Eigentlich habe ich die Hoffnung für die Bahn 2015 aufgegeben, als die letzte Überarbeitung meines Buchs Das geflügelte Rad – Über die Vernichtung der Eisenbahn herauskam. Das ändert aber nichts daran, dass ich auf die Bahn angewiesen bin. Wie viele, viele andere Menschen auch.
Ich komme also mit Mühe in Magdeburg an. In der zu warmen Nacht stehen die Fenster auf Kipp, und ich höre die Güterzüge durch den Bahnhof rollen. Am nächsten Tag lasse ich mich ausgiebig von den Strassenbahnen der MVB durch die Stadt fahren. Das Straßenbahnnetz in Magdeburg ist beileibe nicht fehlerlos, aber ich rolle an diesem Tag so gut durch die spätsommerlich besonnte Stadt. Man kann ein lokales Netz nicht mit dem der DB vergleichen; Äpfel und Birnen etc. Aber man kann sich was wünschen, auch wenn es nichts hilft.
Die Einheit Deutschlands wird gerne beschworen. Was man beschwört, ist nicht da. Dass Einheit und innerdeutsche Mobilität miteinander in starker Wechselwirkung stehen, ist ein unfassbar komplexer Gedanke.